Insgesamt annähernd 2,8 Millionen Studierende im Wintersemester 2015/2016 zeigen die Beliebtheit eines Studiums für die berufliche Qualifikation. Auch nach dem Erwerb einer grundständigen akademischen Ausbildung ist heute die Tertiär- oder Weiterbildung auf Hochschulniveau eine beliebte Variante des lebenslangen Lernens. Für viele Berufstätige mit einer beruflichen Fachqualifikation oder mit einem abgeschlossenen Erststudium ist nebenberuflich zu studieren, eine sinnvolle Option, den eingeschlagenen Karriereweg zu modifizieren beziehungsweise mit neuen Aufgaben, die mehr Verantwortung bedeuten, interessanter zu gestalten. Gelegentlich ist eine Zusatzqualifikation zum Erhalt des Arbeitsplatzes notwendig. Auch ein kompletter beruflicher Umstieg oder die Suche nach persönlicher Herausforderung können den Ausschlag geben, sich zu entscheiden, nebenberuflich studieren zu wollen. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl möglicher Motivationen für das nebenberufliche Studium und ein Austausch mit anderen Studierenden verhilft auf dem Weg der Selbstreflektion zu einem Schub für die Studienmotivation.

Nebenberuflich studieren und Karriereaussichten

Der Aufwand für ein nebenberuflich betriebenes Studium ist aus verschiedenen Perspektiven hoch bis sehr hoch. Um

  • organisatorische,
  • berufliche und
  • psychische sowie
  • gesundheitliche

Belastungen auszuhalten, sollte der Anreiz für die individuellen Herausforderungen möglichst hoch sein. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, vor dem Beginn des avisierten Studiums eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Analyse durchzuführen. Die Gewichtungen möglicher Einflussgrößen sind Individuell und müssen von angehenden Studierenden sorgfältig in der persönlichen Situation bewertet werden. Mögliche Faktoren der Anreizanalyse sind intern:

  • Aufstiegspotentiale in der aktuellen beruflichen Situation,
  • Defizite im eigenen Kompetenzprofil,
  • Stärken im Wissensportfolio,
  • intrinsisches Interesse am möglichen Studienthema und/oder
  • gute Kenntnisse des Arbeitsmarktes und seiner aktuellen Entwicklungen.

Grundsätzlich ist ein abgeschlossenes Studium nicht zwingend die zentrale Schlüsselqualifikation für eine steil ansteigende Karriere. Weitere Gründe für positive Effekte einer akademisch fundierten Entwicklung liegen in der Persönlichkeit der Angestellten und in der Unternehmenskultur begründet. Externe Faktoren, die die Entscheidung für das nebenberufliche Studieren beeinflussen (können), sind

  • die Haltung des Unternehmens zu Bildung,
  • eine Förderung der Weiterbildungsabsichten durch das Unternehmen,
  • die Unterstützung durch Freunde und Familie und/oder
  • ein angebotsseitig entspannter Arbeitsmarkt.

Die Betrachtung dieser Aspekte führt zu einer guten und im Idealfall tragfähigen Entscheidungsgrundlage, die es erlaubt, die Karriereaussichten zu beurteilen, die dafür sprechen, nebenberuflich zu studieren.

Studienmotivation durch persönlichen Vergleich

Auch ein persönliches Benchmarking kann helfen, die Entscheidung nebenberuflich zu studieren und den gewünschten akademischen Abschluss zu erreichen, auf eine sichere Basis zu stellen. Eine sorgfältige Potentialanalyse schafft die Grundlage für diese persönliche Strategie. Größen, die in diesem Vergleich zu beachten sind, sind unter anderem

  • die Altersstruktur potentieller Mitbewerber/-innen,
  • die Ablehnung oder Priorisierung von Abschlüssen aus einem Vollzeitstudium vs. nebenberufliches Studieren,
  • mögliche implizite Gender-Präferenzen in der angestrebten Branche und Hierarchiestufe,
  • Soft Skills sowie
  • berufliche und sonstige fachliche Erfahrungen.

Eine positive Bewertung des eigenen Kompetenzprofils und der Chancen in einem etwaigen anschließenden Bewerbungsprozess hilft in Stressphasen während des Studiums, die Motivation aufrecht zu erhalten.

Nebenberuflich studieren in vielen Qualifikationsbereichen

Die Bandbreite der für das nebenberuflich Studieren offenen Studienprogramme erstreckt sich fast über das gesamte Spektrum der Studienangebote an deutschen Hochschulen. Schwerpunktmäßig werden

  • betriebswirtschaftliche,
  • ingenieurwissenschaftliche,
  • rechtswissenschaftliche,
  • sozialwissenschaftliche und
  • gesundheitswissenschaftliche

Inhalte für das berufsbegleitende beziehungsweise nebenberufliche Studieren aufbereitet und auf Hochschulniveau angeboten.

In vielen Studiengängen, die nebenberuflich zu studieren sind, ist der Zugang zu Inhalten stark praxisorientiert ausgerichtet. Neben den rein theoretischen Unterrichtseinheiten sind oft Projekte und praktische Übungen vorgesehen, so dass der Wissenstransfer zwischen beruflichem Erleben und Hochschulqualifikation besonders leicht zu gestalten ist.

Studienmodelle passend zur beruflichen Situation

Nebenberuflich studieren ist im weiteren Sinne in mehreren Varianten möglich. Diese unterscheiden sich vor allem darin, in welcher Intensität die aktuelle Berufstätigkeit sich im Studium wiederfindet (und umgekehrt). Die meisten Studienmodelle führen zu einem vollwertigen akademischen Grad (meistens Bachelor oder Master).

Übersicht der Studienmodelle

Berufsintegrierendes Studium – In dieser Studienvariante sind die Synergieeffekte für Studierende, Arbeitgeber und Hochschule am stärksten ausgeprägt. Nicht selten bestehen formale Kooperationen zwischen der Hochschule und dem Unternehmen. Sowohl in theoretischen Studienthemen als auch in praxisorientierten Aufgaben und Projekten werden oft konkrete Fragestellungen aus dem Berufsalltag wissenschaftlich bearbeitet. Dieses Studium eignet sich besonders für Studierende, die mittel

  • bis langfristig im gewählten Themenbereich für das Unternehmen arbeiten wollen und gute Karriereaussichten mit dieser Perspektive verbinden. Das duale Studium, in dem ein doppelter (beruflicher und akademischer) Abschluss erlangt wird, zählt zu diesem Studienmodell.

    Praxisintegrierendes Studium – Das praxisintegrierende Studium hat eine starken Bezug zur Anwendung der theoretischen Inhalte des Studiums. Für ein nebenberufliches Studium ist dieses Studienmodell bedingt geeignet, wenn es um die Höherqualifizierung im bereits erlernten Themenfeld gehen soll. Für alle, die ihre Berufstätigkeit auf eine Teilzeitstelle reduzieren, um nebenberuflich zu studieren, ist das praxisintegrierende Studium geeignet. Auch für einen Schwerpunkt- und Themenwechsel ist dieses Studienmodell eine gute Vorbereitung.

    Verbundstudium – Die staatlichen Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen richten sich mit dem Verbundstudium explizit an Berufstätige. Eine auf die Zielgruppe zugeschnittene Verteilung der unterschiedlichen Lerneinheiten und die Ausrichtung auf anwendungsbezogene Inhalte sind gute Voraussetzungen für nebenberufliches Studieren. Im Regelfall ergeben sich nicht nur für die Studierenden, sondern auch für kooperierende Unternehmen positive Effekte.

    Duales Studium – Das duale Studium ist für Berufsstarter/-innen eine gefragte Version, um Beruf und Studium miteinander zu verbinden. Ein nebenberufliches Studium ist dieses Modell damit nur für eine begrenzte Zielgruppe, für die sich berufspraktische Erfahrungen im Betrieb und ein theoriebasierter Wissensaufbau während der Ausbildungszeit ergänzen.

    Prokrastination und andere Hindernisse

    Prokrastination, landläufig auch "Aufschieberitis" genannt, gehört zu den größten Hindernissen auf dem Weg zu einem Studienabschluss besonders für alle, die nebenberuflich studieren. Es wird geschätzt, dass zwischen zehn und zwanzig Prozent aller Studierenden gelegentlich oder regelmäßig Unwichtiges vorziehen, um wichtigen Tätigkeiten mehr oder weniger bewusst aus dem Weg zu gehen. Paradoxerweise neigen besonders leistungsorientierte Persönlichkeiten oft zu schädlichem Vermeidungsverhalten, das einem angemessenen Erfolg (auch) beim nebenberuflich Studieren im Weg stehen kann. Es gibt ein paar einfache Tricks und Maßnahmen, mit denen das lästige Aufschieben mit etwas Reflektion und Anstrengung in den Griff zu bekommen ist:

    • Analyse der eigenen Persönlichkeit und des konkreten Aufschiebeverhaltens,
    • Definieren und schriftliches Fixieren von Zielen (kurz-, mittel- und langfristige Ziele),
    • Organisieren des Tages- und Lernablaufs in Listen (Bullet-Point- oder To-do-Listen),
    • Einhaltung des Grundsatzes "Qualität vor Quantität" beim Lernen ebenso wie beim Arbeiten,
    • regelmäßige Pausen zur Erhaltung der Konzentration und Arbeitsfähigkeit sowie
    • Kategorisierung der anstehenden Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlichkeit.

    Weitere Hindernisse für regelmäßiges und konzentriertes Lernen können in den individuellen Lebensbedingungen begründet sein und sollten vor der Aufnahme des Studiums geklärt werden. Nebenberuflich zu studieren wird erschwert zum Beispiel durch

    • belastende familiäre Ereignisse oder Situationen,
    • berufliche Schwierigkeiten durch Missverständnisse mit Kolleginnen und Kollegen,
    • zusätzliche Arbeitsbelastungen, weil Vorgesetzte nicht informiert oder nicht mit dem Studium einverstanden sind,
    • Fehlen eines festen Arbeitsplatzes daheim oder
    • psychischer Stress durch die Mehrfachbelastung.

    Für vorübergehende Komplikationen kann die Lösung in einer begrenzten Unterbrechung des Studiums bestehen. Studienprogramme, die darauf ausgerichet sind, dass die Studierenden nebenberuflich studieren, sind zumeist durch große Flexibilität gekennzeichnet, wodurch eine kurze Unterbrechung ohne nennenswerte Nachteile ermöglicht wird. Genaues hierzu ist in den jeweiligen Studienangeboten zu recherchieren oder bei den Beratungsstellen der Hochschulen zu erfragen.

    Hilfreiche Techniken und Lernstrategien – auch für Akademiker/-innen

    Auch Berufstätige, die bereits ein Erststudium absolviert haben, stehen in der Situation, nebenberuflich studieren zu wollen, vor neuen methodischen und organisatorischen Herausforderungen. Einige Tricks sind sinnvoll, sich schnell in die zunächst ungewohnte Studiensituation zu integrieren:

    • Austausch mit Kommilitoninnen und Kommilitonen,
    • guter Kontakt zu Lehrenden,
    • Nutzen zentraler Instrumente des Projektmanagements: Zieldefinitionen, Zeitmanagement, Planung von Etappenzielen,
    • regelmäßige Selbstevaluation zu Lernerfolgen und Zielsetzungen,
    • strikte Terminplanung für Lerneinheiten und
    • zügige Beherrschung der vom Studienanbieter genutzten Computerprogramme.

    Nicht nur die äußeren Bedingungen sind gewöhnungsbedürftig. Auch die Fachkräfte, die bereits über Studienerfahrung verfügen, müssen in vielen Fällen das Lernen wieder lernen. Hilfreich sind zu Beginn des nebenberuflichen Studierens zum Beispiel

    • Übungen zur Konzentrationsförderung,
    • Entspannungsübungen (je nach Persönlichkeit auch Sport),
    • Achtsamkeitstrainings oder
    • das Erlernen von Kreativitätstechniken zur Flexibilisierung des Denkens.

    Die meisten Hochschulen mit Studienangeboten, die speziell für Berufstätige konzipiert werden, bieten zu Studienbeginn Seminare über verschiedene Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens. Diese von den spezialisierten Hochschulen angeboten fakultativen Lernheiten helfen beim (Wieder-)Einstieg in das nebenberufliche Studieren.

    Förderung durch den Arbeitgeber

    Statistisch lässt sich belegen, dass in Deutschland das Interesse der Unternehmen nach Fortbildung der Mitarbeiter/-innen vergleichsweise hoch ist. Dabei lassen sich Unterschiede sowohl bei der Branchenzugehörigkeit als auch bei der Betriebsgröße beobachten. Vor allem kleine Unternehmen bis 49 Beschäftigten fördern die Fortbildung ihrer Angestellten. Ein überdurchschnittlich großes Engagement bei der Mitarbeiterfortbildung zeigen Unternehmen

    • in der Informations- und Kommunikationsbranche,
    • in der Energie- und Wasserwirtschaft,
    • im Bergbau und benachbarten Industrien,
    • in Versicherungen und bei Finanzdienstleistungen,
    • in der Logistik und Warenlagerung sowie
    • im verarbeitenden Gewerbe.

    Die konkreten Förderungen in den genannten, aber auch vielen anderen Branchen können sehr unterschiedlich ausfallen. Zu den beliebtesten Möglichkeiten, die Unternehmen nutzen, um ihren fortbildungswilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiten das nebenberufliche Studium zu erleichtern, zählen

    • studienkompatible Urlaubsregelungen,
    • flexible Arbeitszeiten,
    • Einführung von Arbeitszeitkonten,
    • finanzielle Zuschüsse (zu Studiengebühren, Reisekosten oder Unterrichtsmaterialien) und
    • betreute Studienprojekte im Unternehmen.
    • die tarifliche Höherstufung nach Studienabschluss,
    • eine sichere Beförderung oder
    • Prämien für sehr gute Studienleistungen

    sind als Formen der Studienförderung möglich.

    Einige der möglichen Förderungsoptionen durch den Arbeitgeber bedeuten für die Unternehmen einen gesteigerten organisatorischen Aufwand oder andere Nachteile. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn der Arbeitgeber für die Unterstützung beim nebenberuflich Studieren umgekehrt Forderungen stellen. Die mittelfristige Bindung an das Unternehmen und angemessene Studienleistungen gehören zu den typischen Ausgleichsleistungen, zu denen sich studierende Angestellte verpflichten, um nebenberuflich studieren zu können. Wer das Unternehmen trotz eines organisatorischen oder finanziellen Entgegenkommens früher als vereinbart verlässt, um eine interessantere oder besser dotierte Stellung anzunehmen, muss im Regelfall zumindest einen Teil der Vergünstigungen zurückzahlen.

    Fazit & Zusammenfassung

    • Nebenberufliches Studieren ist eine potentielle Variante, mit der Sie einen der gefragten akademischen Abschlüsse Bachelor oder Master erwerben.
    • Vor jedem Studium, das parallel zur fortgesetzten Berufstätigkeit absolviert werden soll, müssen Sie eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Analyse anstellen.
    • Mit dem nebenberuflichen Studium sind verschiedene persönliche und berufliche Belastungen verbunden, die durch zusätzliche Potentiale ausgeglichen werden können.
    • Nicht immer führt nebenberufliches Studieren zu einer optimierten Karriere; deswegen sollten Sie auch die nicht-fachlichen Schlüsselqualifikationen nicht aus den Augen verlieren.
    • Ein individuelles Benchmarking hilft bei der Einschätzung Ihrer Chancen, wenn Sie nebenberuflich studieren wollen.
    • Die meisten Fächergruppen sind mit Studienprogrammen, die es Ihnen erlauben nebenberuflich zu studieren, im Gesamtangebot der knapp 10.000 Studienangebote vertreten.
    • Im Studium neben dem Beruf ist der Praxisbezug in zahlreichen Programmen eine konstruktive Brücke in den Berufsalltag.
    • Unterschiedliche Studienmodelle ermöglichen nicht nur verschiedene Lernformen: Die Intensität des Praxisbezugs, den Zeitaufwand pro Woche und das Studienziel können Sie nach Ihren speziellen beruflichen Bedürfnisse auswählen.
    • Neben organisatorischen Hindernissen zu Beginn des Studiums müssen Sie konstant und mit Selbstdisziplin verschiedene persönliche Lern-Hindernisse mindestens beobachten, wenn nicht überwinden.
    • Das Erlernen oder Auffrischen von Lerntechniken und Zeitmanagement vor Ihrem Studieneinstieg erleichtert Ihren akademischen Alltag, während Sie nebenberuflich studieren.
    • Mit einer organisatorischen und/oder finanziellen Förderung durch Ihren Arbeitgeber sind im Regelfall vertraglich vereinbarte Verpflichtungen verbunden.
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